Wenn man das Wort Sektorenkopplung hört, stellt man sich wohl erst einmal die Frage: Was ist das eigentlich? Genau dieser Frage wollen wir an dieser Stelle nachgehen. Was ist Sektorenkopplung? Um welche Sektoren handelt es sich? Warum werden diese Sektoren gekoppelt? Was hat das mit der Energiewende zu tun? Dieses doch recht komplexe Thema hat in den letzten Jahren durch die zunehmende dezentrale Erzeugung von Energie und die angestrebte Dekarbonisierung im Bereich Energieerzeugung, Verkehr und Industrie stark an Bedeutung gewonnen. Neben der dezentralen Erzeugung rückt auch der steigende Strombedarf und die Verteilung des Stroms in den Fokus der Sektorenkopplung. Im Folgenden erklären wir Ihnen Schritt für Schritt, was es mit dem Thema auf sich hat und welche Potenziale es für die Energiewende mit sich bringt.
Was versteht man unter Sektorenkopplung?
Unter dem Begriff der Sektorenkopplung versteht man die Verbindung verschiedener Sektoren im Rahmen der Energiewende, um die Dekarbonisierung durch die Erzeugung erneuerbarer Energien in mehreren Sektoren voranzutreiben. Durch die nachhaltige Erzeugung von Strom können dadurch vermiedene Emissionen auf andere Sektoren übertragen werden. Dabei handelt es sich um die Sektoren Strom, Wärme, Gebäude, Verkehr und Industrie. Durch verschiedene Technologien soll die Energieverteilung über diese Sektoren gemeinsam optimiert werden, um die Dekarbonisierung in allen Sektoren voranzubringen.
Nachfolgend werden die einzelnen Sektoren kurz erläutert und beschrieben wie dort erneuerbare Energien die Dekarbonisierung verbessern können.
Bild: Schematische Darstellung der Kopplung der Sektoren Wärme, Gas und Strom durch Brennstoffzellen und Elektrolyseure. (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Stromsektor
Im Stromsektor ist der Weg der Dekarbonisierung klar. Die Verwendung von fossilen Rohstoffen für die Stromerzeugung wird reduziert. Deutschland hat den Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2038 beschlossen. Bereits jetzt gibt es Stimmen die einen früheren Ausstieg fordern, um die gesetzten Klimaziele überhaupt erreichen zu können. Durch die Reduzierung der Energieerzeugung aus fossilen Rohstoffen steigt der Bedarf an erneuerbaren Energien erheblich.
Dieser Bedarf soll vorwiegend durch einen starken Zubau von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen gedeckt werden. Durch die Umwandlung von natürlich vorkommender Energie, wie Sonnenenergie und Windenergie, in elektrische Energie werden keinerlei Emissionen bei der Erzeugung verursacht. Aber auch Wasserkraftwerke, die die Bewegungsenergie des Wassers in elektrische Energie wandeln oder Gezeitenkraftwerke zählen zu den erneuerbaren Energiequellen, die ohne Emissionen bei der Erzeugung auskommen.
Der Wärmesektor
Der Wärmesektor ist neben dem Stromsektor einer der größten CO2 Verursacher. Somit ist es wichtig, dass durch neue Technologien und eine sinnvolle und effiziente Kopplung mit anderen Sektoren eine starke Dekarbonisierung angestrebt wird. In den Wärmesektoren fallen neben Heizwärme für Wohn- und Gewerbeobjekte auch Prozesswärme für gewerbliche oder industrielle Produktionsprozesse. Ein großer Schritt, der in der Vergangenheit gemacht wurde, ist die Kraft-Wärme-Kopplung. Aktuell laufen der Großteil der KWK-Anlagen allerdings mit einem Verbrennungsmotor, welcher viel CO2 und andere Emissionen erzeugt.
Hier gilt es zum einen die KWK-Technologie durch Innovationen, wie z.B. die Brennstoffzelle, zu verbessern und zukunftstauglich zu machen. Hier kann man beispielsweise erneuerbaren Strom in erneuerbare Wärme umwandeln. Dies geschieht durch effiziente Wärmepumpen, die mit (in Zukunft hauptsächlich regenerativer) elektrischer Energie und Erdwärme, Wasser oder Umgebungsluft die Objekte nachhaltig beheizt. Der Wärmesektor bietet sehr viele Möglichkeiten der Sektorenkopplung, um langfristig große Mengen an Emissionen einzusparen.
Der Gebäudesektor
Der Gebäudesektor hat einen hohen Bedarf an Energie. Diese kann in verschiedenen Formen auftreten, z.B. elektrische Energie, Wärmeenergie aber auch Kälteenergie. Auch die Art der Versorgung von Gebäuden spielt für den Energiebedarf eine Rolle. Weiteren maßgeblichen Einfluss hat auch der Stand der Sanierung der Objekte. Aus diesem Zusammenspiel ergeben sich energieeffiziente und weniger energieeffiziente Gebäude mit unterschiedlichem Energiebedarf jeglicher Art.
Gebäude haben ein sehr großes Potenzial für die Sektorenkopplung. Hier trifft der Gebäudesektor mit dem Strom-, Wärme- und Verkehrssektor zusammen. Unter bestimmten Umständen auch der Industriesektor. Zukünftig könnten Gebäude, die optimal mit anderen Sektoren gekoppelt sind, folgendermaßen aussehen: Ein Mehrfamilienhaus hat eine PV-Anlage auf dem Dach und ein Brennstoffzellen-BHKW im Keller. Ein hoher Wärmebedarf im Winter wird über eine Luftwärmepumpe, welche mit Strom aus einem Batteriespeicher (der Strom im Batteriespeicher kommt aus dem BHKW oder von der PV-Anlage) betrieben wird, abgedeckt. Das Brennstoffzellen-BHKW, welches mit Wasserstoff aus der Gasleitung betrieben wird, versorgt die Grundlast des Hauses mit Strom und Wärme. Vor dem Gebäude befinden sich Ladesäulen für Elektroautos, mit denen die Mieter Ihre Autos aufladen können.
In diesem Beispiel vereint das Gebäude alle hier genannten Sektoren außer dem Industriesektor und versorgt sich größtenteils CO2-neutral selbst durch eine dezentrale Energieversorgung.
Der Industriesektor
Der Industriesektor ist der größte Verursacher von CO2 Emissionen. Industrielle Produktion verursacht ein sehr hohes Maß an verschiedenen Schadstoffen z.B. bei chemischen Prozessen oder bei der Stahlproduktion. Entsprechende sind die Einsparungspotenziale durch eine effiziente Nutzung von Ressourcen und eine Kopplung von Sektoren hier am größten.
Die größten Einsparungspotenziale liegen in der Industrie in der Verbindung von Strom- und Wärmesektor. Je nach Branche und Produktionsprozess können neue Technologien zu erheblichen Einsparungen bei den Emissionen führen. Besonders die Power-to-X Technologien können hier gut Anwendung finden. Dieser kann verwendet werden, um Wärme oder Chemikalien für Produktionsprozesse CO2-neutral zu erzeugen.
Der Verkehrssektor
Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist eines der großen Vorhaben der EU und der deutschen Bundesregierung. Große Automobilhersteller haben bereits angekündigt, bald keine Verbrennungsmotoren mehr zu bauen. Somit soll erneuerbarer Strom für den Verkehr genutzt werden. Für den PKW-Bereich mit batterieelektrischen Fahrzeugen wird dies sicherlich funktionieren.
Im Schwerlastbereich oder Flug- und Schiffverkehr werden Batterielösungen aber nicht den gewünschten Effekt liefern. Hier müssen andere Technologien wie Wasserstofftechnologien bzw. Brennstoffzellen den Antrieb der Zukunft zur Verfügung stellen. Dort soll auch erneuerbare Energie für die Erzeugung von sogenanntem grünem Wasserstoff genutzt werden, um diese Verkehrsbereiche zu dekarbonisieren.
Welche technologischen Lösungen werden für die Kopplung der verschiedenen Sektoren eingesetzt?
Um die Kopplung der verschiedenen Sektoren zu ermöglichen, wird auf verschiedene neue Technologien zurückgegriffen. Im Folgenden wollen wir drei wesentliche Technologien dafür kurz vorstellen.
Speichersysteme
Damit Energie nicht verloren geht, macht es Sinn, sie zu speichern. Dies ist allerdings leider nicht immer so einfach. Es hängt auch von der Form der Energie ab. Elektrische Energie wird heute in Batterien gespeichert. Diese werden jedes Jahr effizienter und auch günstiger. Überschüssiger erneuerbarer Strom kann so gespeichert werden.
Eine weitere Möglichkeit, um Strom zu speichern bietet Wasserstoff. Dieser kann aus Wasser und Strom mit Hilfe von Elektrolyseuren erzeugt und gespeichert werden. Durch Brennstoffzellen kann die Energie im Wasserstoff wieder in elektrische Energie umgewandelt werden. Leider gibt es bei diesem Umwandlungsprozess hohe Energieverluste im Vergleich zu einer Speicherung in einer Batterie. Auch thermische Energie lässt sich speichern. Beispielsweise Warmwasserspeicher, die in fast jedem Haus zu finden sind, Eisspeicher für Speicherung von Kälte oder Latentwärmespeicher wie Dämmstoffe in Gebäuden.
Power-to-X Technologien
Unter Power-to-X versteht man Technologien, die elektrischer Energie (Power) in eine andere Energieform (X) umwandeln. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Power-to-Heat wandelt Strom in Wärme um, wie z.B. in Wärmepumpen.
- Power-to-Gas wandelt Strom in Gas um. Hier sind verschiedene Gase wie bspw. Wasserstoff oder Methan möglich.
- Power-to-Liquids wandelt Strom in flüssige Treibstoffe um oder erzeugt Chemikalien zur Erstellung von Treibstoffen.
- Power-to-Chemicals wandelt Strom in der Industrie zu Grundchemikalien für Produktionsprozesse um.
Bei diesen Technologien ist es für die Nachhaltigkeit wichtig, dass entweder erneuerbarer oder überschüssiger Strom verwendet wird. Somit handelt sich hier auch um eine Form der Speichertechnologien.
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
Die KWK-Technologie macht die bei der Stromproduktion entstehende thermische Energie nutzbar. Bei dem Prozess für die Erzeugung von Strom wird durch den Umwandlungs- oder Verbrennungsprozess (je nach Technologie) Wärme freigesetzt. Diese wird nicht in die Umwelt entlassen, sondern nutzbar gemacht. Je nach Technologie können elektrische Wirkungsgrade weit über 40% erreicht werden. Hinzu kommt der thermische Wirkungsgrad durch das entstehende Abfallprodukt Wärme.
Damit können KWK-Anlagen Gesamtwirkungsgrade von über 90% erreichen. KWK Technologien gelten als besonders effizient. Im Rahmen der Energiewende können sie ihren Beitrag durch Mikro- oder Mini KWK Anlagen für die dezentrale Energieversorgung beitragen. Denn durch die dezentrale Erzeugung von Strom durch effiziente KWK-Anlagen können Übertragungsverluste reduziert und aus einem Energieträger gekoppelt Strom und Wärme erzeugt werden und somit Emissionen eingespart werden.
Bild: Kraf-Wärme-Kopplung für Ihren Heizungskeller: Das Brennstoffzellen-BHKW inhouse5000+.
Welche Vorteile ergeben sich aus der Kopplung der Sektoren?
- Weniger CO2-Emissionen
- Nachhaltige und effiziente Energieversorgung
- Schonung von Ressourcen
- Niedrigere Strompreise (Strom aus PV- und Windenergie wird langfristig immer günstiger und Energie aus fossilen Energieträgern immer teurer)
- Langfristige Sicherstellung der Versorgungssicherheit
- Mehr Flexibilität für Verbraucher (Dezentralisierung der Energieversorgung)
Welche Rolle spielt die Sektorenkopplung in der Energiewende?
Die Sektorenkopplung spielt eine maßgebliche und sehr zentrale Rolle in der Energiewende. Durch die Verbindung der verschiedenen Sektoren können neue hocheffiziente Technologien zum Einsatz kommen. Dies hat zur Folge, dass knappe Ressourcen entweder besser genutzt werden können oder Energien erneuerbar erzeugt und sinnvoll genutzt werden können. Dies wird maßgeblich die Reduzierung von Emissionen vorantreiben.
Welche Rolle spielt Wasserstoff und Wasserstofftechnologien im Rahmen der Sektorenkopplung?
Wasserstoff spielt eine zentrale und tragende Rolle bei der Sektorenkopplung. Wasserstoff bietet die Möglichkeit Überschüssigen elektrischen Strom zu speichern. Dies geschieht durch die Erzeugung per Elektrolyse aus Wasser. Zum Zeitpunkt der Erzeugung nicht nutzbarer Strom wird so nutzbar gemacht. Wasserstoff kann gespeichert und transportiert werden, wie andere Kraftstoffe auch.
Der Wasserstoff kann dann in einer Brennstoffzelle wieder zurückverstromt werden. Damit können Autos, LKW, Züge oder Schiffe im Verkehrssektor angetrieben werden. Des Weiteren kann der Wasserstoff in einer Wasserstoffheizung bzw. in einem Brennstoffzellen-BHKW zu Wärme und Strom durch Kraft-Wärme-Kopplung umgewandelt werden. Dadurch kann der Wasserstoff wieder in den Wärme-, Strom, und Gebäudesektor eingebracht werden. Erzeugter Wasserstoff kann auch im Industriesektor genutzt werden. Hier besteht aktuell noch der größte Bedarf an Wasserstoff z.B. Für chemische Prozesse oder für die Stahlproduktion.
Welche Potenziale hat die Sektorenkopplung für die Zukunft?
Die Sektorenkopplung, unter Anwendung der richtigen Technologien, kann die angestrebte Energiewende zum Erfolg führen. Viele der hier genannten Technologien stehen noch am Anfang Ihrer kommerziellen Entwicklung und es können noch viele Potenziale ausgeschöpft werden. Viel Potenzial haben auch Technologien, die der Umgebung CO2 entziehen und binden. Sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS) Technologien. Damit wäre eine CO2 negative Energieversorgung theoretisch möglich.
Darüber hinaus bietet die Sektorenkopplung weitere viele Potenziale was die Verwendung bereits bestehender Infrastrukturen, wie die Gasnetze, angeht. Hier muss in Zukunft die Frage beantwortet werden, ob die Gasnetze auch zum Transport von dem sehr flüchtigen Gas Wasserstoff oder auch anderen erneuerbaren Gasen möglich sind. Fakt ist, dass die Sektorenkopplung ein sehr spannendes Thema ist, sehr wichtig für die Energiewende und somit auch zur Bewältigung der anstehenden zukünftigen Aufgabe: Das Erreichen der gesetzten Klimaziele bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Versorgungsicherheit.